Die endlos
wiederkehrende Situation, wenn Personen glauben dich zu kennen, weil sie
Meister darin sind deine Verhaltensweisen zu interpretieren oder die Art, wie
du dich gegenüber der Menschheit gibst, aber sich nie in irgendeiner Weise
gefragt haben, wie du zu deiner Einstellung gekommen bist und was eigentlich
hinter deiner Fassade steckt.
Der Prozess
des Kennenlernens kann wissenschaftlich, psychologisch oder einfach nur
persönlich betrachtet werden. Anfangs kennt man sein Gegenüber einfach nur vom
Sehen oder vom Namen her, während man vielleicht nach einer Zeit schon
intensiveren Kontakt mit diesem Jemanden gepflegt hat, und sich schon eine
eigenständige Meinung über ihn bilden kann. Den Großteil der Gesellschaft rund
um uns kennen wir doch wirklich nur aus den ersten beiden Blickwinkeln.
Einige Dinge
haben sich im Wandel der Zivilisation geändert, viele bleiben jedoch auch
gleich. So kann ich mir vorstellen, dass Vorurteile nicht nur heute ein
dramatisches Thema sind, sondern auch schon vor hunderten von Jahren existiert
haben.
Wir Menschen
haben Vorurteile. Vorurteile gegenüber anderer Menschen. Vorurteile gegenüber
anderer Nationen. Vorurteile gegenüber anderer Religionen, anderer
Lebenseinstellungen, anderer Kleidungsgeschmäcker und sogar anderer Hobbies.
Ich schließe mich dabei nicht aus, dass ich des Öfteren ebenso Vorurteile
gegenüber manchen Personen habe, jedoch bin ich der Meinung, dass ich alt genug
bin, um bereits gelernt zu haben, dass man sich zuerst selbst von einem
Menschen überzeugen soll, bevor man irgendwelche positive oder negative Kritik
an ihm ausübt. Dennoch bin ich mir nicht sicher, was den Rest der Menschheit
daran hindert, das gleiche zu tun. Und
obwohl ich mich dabei bemühe so gut wie jeden zuerst kennenzulernen, bevor ich
über ihn urteile, weiß ich trotzdem nicht, wann der Zeitpunkt gekommen ist, an
dem ich eine Person wirklich kenne. Mit all seinen Ecken und Kanten. Mit all
seinen Ängsten und Erfahrungen. Bei seinem Leib und seiner Seele.
Menschen
treten in unser Leben, sind über eine kürzere oder länger Spanne Teil davon,
und haben dann die Wahl, ob sie weiterhin für uns wichtig sein wollen oder
nicht. Ich habe schon von vielen Personen behauptet sie zu kennen, und viele
davon haben auch das gleiche von mir erwartet. Jedoch haben wir uns irgendwann
gegenseitig dafür entschieden, dass wir uns an diesem Zeitpunkt schon zu gut
kannten. Vielleicht taten wir das ja damals auch. Doch Menschen verändern sich.
Wir werden irgendwann erwachsen und kommen zu neuen Erkenntnissen, und machen
auch hin und wieder 180 Grad Wendungen. Man kann in diesem Fall eben nach ein,
zwei Jahren nicht mehr behaupten, dass wir uns so gut kennen.
Eigentlich
hab ich es satt, wenn man mir immer wieder sagt, wie gut man über mich Bescheid
weiß. Ich habe es auch satt, wenn man meint, man muss für mich entscheiden, was
von den Dingen, die ich täglich von mir gebe gut oder schlecht ist. Ich glaube,
wir müssen alle selbst darüber nachdenken, was für uns richtig oder falsch ist.
Ich persönlich habe nun mal schon einige Taten vollbracht, die nicht gerade die
klügsten waren. Doch warum sollte ich sie bereuen? Sie machen mich zu dem was
ich bin. Und manchmal muss man eben auch mal auf die Nase fallen, um aus
Fehlern zu lernen und sein Weltbild zu verändern.
Ich denke,
dass es nur ganz, ganz wenige Menschen gibt, die uns wirklich kennen. Oftmals
bleiben sie uns für eine lange Zeitspanne erhalten. Sie haben mit uns gelacht,
geliebt, geweint und gelebt. Vielleicht waren wir nicht immer von Anfang an die
besten Freunde, aber irgendeinen Grund muss es dafür geben, dass wir es
irgendwann geworden sind. Man muss aber nicht unbedingt jahrelang mit diesen
Leuten in Kontakt sein, manchmal genügt auch eine kurze intensive Zeit, in der
man einander beigestanden hat. Deshalb gebe ich im Moment, neben meiner
Familie, nur wenigen Leuten das Recht zu behaupten, mich wirklich zu kennen.
Und das obwohl ich einen großen Freundeskreis habe. Aber wir gesagt, Menschen
treten in unser Leben und haben irgendwann die Wahl, ob sie weiterhin Teil
davon sein wollen oder lieber wieder gehen wollen.
Man würde
meinen, dass der Prozess des Kennenlernens gerade heute durch soziale Medien
viel einfacher geworden ist. Ich behaupte das Gegenteil. Es ist eigentlich viel
schwieriger, denn früher war man darauf angewiesen durch persönlichen Weg
einander zu zeigen, dass man sich irgendwie sympathisch findet, heute wird das
per „Gefällt mir“ auf Instagram oder Facebook erledigt, und dabei bleibt es.
Wir erblicken attraktive Personen auf Veranstaltungen und das erste was wir am
nächsten Tag machen, ist diese Person auf jede mögliche Art im Internet zu
suchen. Wir sind nicht mal mehr in der Lage dazu einfach hinzugehen und mit
ihnen zu reden. Dann schickt man noch eine sogenannte „Freundschaftsanfrage“
und schon kennt man sich also?! Auch wenn das Internet unser Leben in vieler
Hinsicht einfacher gemacht hat, hat es aber auch viel schwieriger gemacht, wie
zum Beispiel das Kennenlernen auf persönlichem Wege.
Das wiederum
möchte ich mit den Vorurteilen unserer Zeit verbinden. Durch soziale Netzwerke
kann jeder sein Selbstbild so darstellen, dass er von anderen Leuten auch
akzeptiert wird. Doch der Bildschirm und die Realität zeigen oft Unterschiede.
Wir kennen einander von Facebook, haben somit unsere Meinung über Menschen
schon übers Internet gebildet und haben auch gar keine Lust mehr einander
kennenzulernen. Zudem muss ich wieder auf den „Gefällt mir“-Button
zurückkommen, womit man sich sowieso schon Zuneigung vermittelt. Deshalb haben
wir nicht mal mehr Lust darauf einander zu schreiben.
Ich finde
das ganze System generell unnötig, da wir dadurch unsere Individualität
verlieren. Und Menschen, die etwas individueller sind werden dann oft gleich
als eigenartig betrachtet. Ich bin unzählige Male in meiner „echten“ Schulzeit
(jetzt besuche ich ein Kolleg) mit einem Hut aufgekreuzt, und wurde gleich
einmal von einigen konservativen Landeiern als Freak abgestempelt. Aber warum?
Nur weil ich damals, und heute immer noch, einen etwas ausgefalleneren
Kleidungsgeschmack habe? Weil ich nicht bei Tally Weijl, sondern auf
Flohmärkten mein Zeug einkaufe oder es mir inzwischen sogar selbst nähe? Weil
ich lieber einen Jutebeutel als eine Michael Kors Tasche trage? Vermutlich liegt
mein persönliches Problem daran, dass ich die meisten Leute zu kommerziell
finde, und sie im Gegensatz dazu von mir denken, dass ich nicht vom Planeten
Erde stamme. Und dann stalken sie noch mein Facebook Profil und sind ganz
geschockt, weil ich mich für Kunst interessiere. In der Stadt hat man es um
einiges leichter als am Land, aber dennoch grenzt man sich heute entweder
komplett ein oder ab.
Ich bin für
mich selbst in den letzten Tagen zu Erkenntnis gekommen, dass ich nicht immer
aufgrund von Äußerlichkeiten oder Hobbies entscheiden möchte, wen ich mag oder nicht
mag. Ich möchte mich davon überzeugen lassen, dass in jedem von uns etwas Gutes
steckt. Ich habe auch gemerkt, dass mich viele Leute heute nicht mehr ganz so
gut kennen, wie sie vielleicht vorgeben, und ich sie auch nicht mehr so gut
kenne wie vor einer gewissen Zeit. Man lebt sich auseinander. So ist das Leben
nun mal.
Jedoch will
ich dazu appellieren, dass wir uns wieder mal intensiv damit beschäftigen, neue
Leute kennenzulernen. Und obwohl ihr jetzt erfahren habt, dass ich dies lieber
auf persönlichem Wege tun möchte, scheut euch bitte nicht mir auch einmal zu
schreiben. Ich freue mich über neue Bekanntschaften oder was auch immer daraus
vielleicht einmal wird!
Legt eure Vorurteile gegenüber anderen
Menschen ab, nur weil ihr Profilbild vielleicht nicht aus einem so guten Winkel
geschossen wurde wie eures. Habt keine Angst mehr davor Leute einfach anzusprechen
(oder eben anzuschreiben). Wie sollen wir einander Kennenlernen, wenn wir uns
eigentlich voreinander verstecken?
Und zum
Schluss möchte ich euch nochmal raten, nachzudenken wer wirklich das Recht hat,
zu behaupten euch zu „kennen“. Und wem ihr eine Chance dazu geben wollt. Denn
wenn wir einander keine Chancen geben und unsere Zweifel ablegen, werden wir
irgendwann alle Einzelgänger werden. Aber das meine Lieben, müssen wir alle für
uns selbst verhindern!
Vielen Dank
an alle, die sich Zeit genommen haben, diesen Roman zu lesen.
Ihr habt
einen wesentlichen Schritt dazu beigetragen, mich per Internet vielleicht auf
positivem Wege besser Kennenzulernen!
Und jetzt
kommt mein PS- Teil, den ich sorry Anna von dir gerade gestohlen habe. Mein Lied
der Woche, oder des Monats, das ganz gut zu meiner neuen Erkenntnis passt: https://www.youtube.com/watch?v=yuTMWgOduFM